Berlin postfrisch
Sammeln und Horten, in der Hoffnung einer der 50er-Jahre ähnlichen preislichen Entwicklung, haben es geschafft,
derartige Mengen an "Material" zusammenzutragen und damit auch zu bewahren, daß die schiere Anzahl Briefmarken
die der Sammler bei weitem übertrifft. Hinzu kommt, daß durch das Sammeln in schicken (und teuren) Vordruckalben,
damit die Marken dort auch hinein paßten, alle "unnötigen" Ränder abgetrennt wurden. Auch die Dubletten wurden
ihrer Ränder beraubt - es herrschte Ordnung und machte Eindruck (beiläufig möchte ich erwähnen, daß ich heute
ausschließlich in großen, stabilen Einsteckbüchern sammle - Flexibilität pur!). Eindruck nicht zuletzt durch die
steigenden Preise in den Katalogen. Was ergaben sich da jährlich für Preissteigerungen! Und wie sollte das erst
werden, wenn mal die Verhältnisse der 50er-Jahre auf die später verausgabten übergreifen würden! Da wurde akribisch
gerechnet und festgestellt, im Grunde genommen war man ja schon reich. Aber, wie bei steigenden Aktien, man
wartete ... und wartet immer noch.
Und heute? Ein Jammertal! An anderer Stelle habe ich es schon einmal genannt: im Internet wurde Berlin, die Jahre
1980 bis 1990 postfrisch und komplett in einwandfreiem Zustand, Katalog-Wert € 640,00, angeboten. Der Verkauf
erbrachte € 20,50!! plus Porto und Verpackung. Das sind rund 3 % vom Katalogwert! Die Berliner Blocks 2 bis 8
postfrisch komplett erhielten den Zuschlag bei € 1,--. 10 oder 20 postfrische Blocks erreichen ebenfalls € 1,--.
Beispiele in der Art sind massenhaft aufzählbar.
Ist das Briefmarkensammeln tot? Insbesondere DDR, Bund und Berlin? Eindeutig nein! Alleine schon die Fehler,
die man gemacht hat, zu erkennen, bringt Aufhellung in den tristen Sammleralltag. Dann auch noch zu sehen,
wie man es besser gemacht hätte - und vielleicht ab heute machen wird, läßt wieder ein Kribbel spüren! Es
kann sich doch jeder daran erinnern wie toll dieses Hobby früher mal war, wie faszinierend, wie vielfältig,
wie zeitvertreibend, wie spannend. Das zurückzuholen ist möglich, Sie müssen nur wollen!
Wenn ich mir bei Tauschtagen die Alben ansehe, muß ich feststellen, daß dort mindestens 95 % unverkäufliche
Massenware und Schrott ist. Wie kläglich ist das Häuflein Briefmarken, das ich letztendlich raustrage.
Mindestens die, die dort zu verkaufen versuchen, müßten doch schon längst erkannt haben, daß diese 95 %
überhaupt nicht gefragt sind. Müßten an Hand dessen, nach dem gefragt wird, auch erkennen, was sie im Angebot
haben sollten. Und müßten spätestens dann erkennen, daß nur erstklassige Qualität gefragt ist - und keine 08/15-Ware.
Wichtig wäre, über den Begriff "erstklassige Qualität" intensiv nachzudenken - und sie um setzen. Und darüber, was
keine Massenware, was kein Schrott ist. Damit wäre der Weg zum selbstdenkenden, schon ziemlich informierten, kritischen,
aber begeisterten Sammler schon zu erkennen. Und hat man diese Erkenntnisse umgesetzt, dann ist die Sammlung zwar noch
nicht wertvoller, aber man kann nun darauf aufbauen.
Zwischenbemerkung: Nachgummierungen und sonstige Reparaturen von Marken sind Selbstbetrug zum Schaden unseres Hobbys,
und ich halte es für kriminell, wenn solche Marken dann wissentlich und ohne entsprechende Information weiterverkauft
oder vertauscht werden. Spätestens beim Verkauf und einer dann notwendigen Prüfung wird das sichtbar werden. Fazit hier:
kein Kauf von Briefmarken mit einem Wert über € 25,00 ohne Prüfung! Und natürlich die Frage an die Philapresse, ob sie
es wirklich nötig hat, Inserate für diese Manipulateure zu schalten?
Zur erfüllten Qualitätsforderung kommt nun eine weitere Voraussetzung: die der Konzentration. Man kann nicht für mehrere
Gebiete Qualitätssammlungen zusammentragen, es sei denn, man begnügt sich mit beliebig vielen ABO´s und irgendwann der
Feststellung, unverkäufliche Massenware zusammengetragen zu haben. Wird mehr erwartet, bleibt nur die Konzentration auf
ein oder zwei Gebiete, die man dann vielleicht mit dem Verkauf der übrigen Sammlung(en) schneller und mit bester Qualität
dorthin bringt, wo man sie haben möchte - und plötzlich hat man Klasse und nicht mehr Masse!
Festzustellen ist, daß z.B. Eckrandstücke mehr und mehr in den Blickpunkt rücken. Momentan findet man hierfür teilweise
illusorisch hohe Preisansätze bei Auktionshäusern, aber auch Spottpreise. Man erkennt jedenfalls die Entwicklung. Also
ist hier schon ein sehr guter Ansatz, eine Erweiterung, Umstellung, Diversifizierung oder auch Verschönerung, wie man
es auch nennen möchte, der Sammlung zu erreichen. Schaut man sich z.B. mal die MiNr. 131 von Berlin an, die bei einer
Auflage von 750.000 Stück postfrisch € 8,-- kostet, kommt man mit ein bißchen rechnen zu dem Ergebnis, daß jede der vier
Ecken nur 15.000 mal vorhanden ist - oder besser, war! Postfrisch, wie auch gestempelt. Was ist da wohl noch übrig
geblieben, was in den Sammlungen? Oder Berlin "modern": MiNr. 849, Frauen, mit einer Auflage von rund 6,9 Mio. Stück
in Bögen á 100 Stück: das sind 69.000 Eckstücke. Die rechte untere Ecke gibt es mit drei verschiedenen Formnummern,
also je Formnummer 23.000 Stück.
Wie viele Ränder wurden von Postbeamten oder Sammlern abgetrennt? Häufig gibt es dann noch Zähnungs-, Gummierungs-
und Papierunterschiede oder die sogenannte Wohlfahrtszähnung (hier fehlt oben oder unten eine komplette Reihe eines
Zähnungslochs), also sind schon hier die Sammelmöglichkeiten fast unbegrenzt.
Besonders interessant ist auch die unbeschriebene rechte obere Ecke. Es war, nicht nur in Berlin Tradition, daß die
Postbeamten rechts oben auf dem Bogenrand handschriftlich die Anzahl der noch vorhandenen Bögen vermerkten, um sich
dadurch die tägliche Abrechnung zu erleichtern. Noch Fragen?
Daß die Ränder der Briefmarkenbögen generell hochinteressant sind, erkennt man, wenn man sie sich mal gewissenhaft
und vor allem vorurteilslos anschaut. In einigen Katalogen, aber auch in anderer Fachliteratur sind solche Bögen
abgebildet. Da sind die Bogenwertzähler, die dem Postbeamten früherer Jahre die Abrechnung erleichterten, bei Marken
mit geänderter Nominale sind diese überdruckt, Randzahlen dienten der Überwachung der Produktion. Formnummern (1 - 4)
dienten ebenfalls der Drucküberwachung und werden als Einzelmarken oder 4er-Blocks gesammelt.
Einige Dauerserien, bis zur "Unfallverhütung", weisen, überwiegend links, aber auch rechts, sogenannte "Druckerzeichen"
auf, die sehr gesucht sind. Ebenso ergeht es den Hausauftragsnummern (HAN), die unten mittig eingedruckt wurden.
Darüber hinaus gibt es Schnittmarkierungen, Farbbalken und bei einigen Berliner Ausgaben den Zudruck "Berlin" zur
Unterscheidung zu BUND-Ausgaben.
Nun ist es an sich einfach zu erkennen, daß 4 % bis 8 % eines Bogens Besonderheiten darstellen - der Rest ist Massenware!
Andere Möglichkeiten neben den Bogenmarken sind die, die weiteren Ausgabe-formen zu dokumentieren, was sich überwiegend
auf Dauerserien bezieht. Z.B. Rollenmarken mit rückseitigen Nummern (oder auch nicht) auf jeder 5. Marke (bei der
Unfall-Serie waren diese auch farbig) und aus unterschiedlichen Rollengrößen, die Rollenanfänge und die Rollenenden.
Ein an anderer Stelle auch schon genanntes markantes Beispiel aus der Serie "Burgen und Schlösser": Von der MiNr. 540,
der 200er, in neuer Fluoreszenz, wurden 3.910 Rollen á 300 Stück hergestellt: Auflage also 1.173.000 Stück! Die MiNr.
587, die 25er, erreichte eine Auflage von 924.000 Stück, was 3.080 Rollen entspricht! Da gibt es also 3.910 Rollenanfänge
mit der rückseitigen Nummer 300 bei der 200er und nur 3.080 Stück bei der 25er!
Oder Markenheftchenbögen, die für die Produktion von Markenheftchen produziert wurden - und die daraus möglichen
Zusammendruckvariationen, Markenheftchen mit Zählbalken und mit unterschiedlichen Werbeeindrucken, Diversifizierung
nach unterschiedlichen Druckarten, Papiersorten, Gummierungen, Fluoreszenzen.
Und die Druckfehler, die Druckzufälligkeiten, Wasserzeichenunterschiede der frühen Jahre, Farbvarianten und vieles mehr
stellen weitere und besondere Möglichkeiten dar.
Glücklich kann sich übrigens der schätzen, der 1991 die Möglichkeit zum Umtausch der Berlin-Marken in gültige Bundmarken
genutzt hat - und noch glücklicher der, der das dann 2002 nochmals, dann in Euro-Marken, wiederholte. Und ein Helfer des
Philatelie war dann der, der die Reste davon verklebte.
All diese besonderen Dinge wurden, und werden es teilweise immer noch, so von der Post mitgeliefert. Kostenlos! Die wurden
nicht für Sammler produziert. Und das ist für mich Philatelie. Nicht das Bestellen eines Belegexemplares von 400.000 für
den Sammler speziell hergestellter Ersttagsblätter. Schauen Sie sich aber doch einfach mal die heutigen 10er-Bogen unter
diesem Aspekt an, auch da gibt's weiterhin Randstücke, die hochinteressant sind. Ich habe gerade heute ein senkrechtes,
rechtes, unteres Eckrandpaar der Marke "Astrid Lindgren" verklebt - dort findet man die Unterschrift der Schriftstellerin
und eine hübsche Comic-Figur. Nur dort. Sie dokumentieren den täglichen, den tatsächlichen Postablauf von der Produktion
bis zum Kunden - und gestempelt oder auf Brief sogar noch ein ganzes Stück weiter.
Heute werden fleißig Sammlerprodukte hergestellt, die nur ein Ziel haben, uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. Aussicht
auf eine positive Entwicklung haben die alle nicht. Immer wieder in den verschiedenen Beiträgen, aber auch ganz speziell,
gehe ich auf diese Dinge intensiv ein. Aber man kann es nicht oft genug sagen: helfen kann letztendlich nur eigenes Denken
- und sich davon frei zu machen, manipuliert zu werden. Mit entsprechendem Wissen ist das ein Kinderspiel.